Nach einem Verkehrsunfall hat der Schädiger die Pflicht, die von ihm verursachten Schäden zu ersetzen. In manchen Fällen ist jedoch fraglich, ob es ihm wirtschaftlich zugemutet werden kann, die Reparatur des Unfallwagens auch dann zu zahlen, wenn die dafür notwendigen Kosten den Wiederbeschaffungswert bei Weitem übersteigen.
Unter Wiederbeschaffungswert ist dabei die Summe zu verstehen, die zum Kauf eines gleichwertigen Fahrzeugs aufgewendet werden müsste. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs muss der Schädiger eine Reparatur nicht bezahlen, wenn deren Kosten den Wiederbeschaffungswert um 30% übersteigen würde (sog. 130-Prozent-Grenze).
Problematisch ist dabei in der Praxis oft, dass die exakten Kosten, die bei der Reparatur eines Unfallfahrzeugs anfallen werden, im Voraus meist nur schwer zu beziffern sind. Was passiert also, wenn nach Beginn der Reparaturarbeiten erkennbar wird, dass die 130-Prozent-Grenze wider Erwarten überschritten wird? Muss der Schädiger nun die Kosten tragen oder muss die Reparatur abgebrochen werden?
Nach einer Entscheidung des Amtsgerichts Würzburg bedarf es in einem solchen Fall einer Einzelfallabwägung unter Berücksichtigung folgender Kriterien:
AG Würzburg, Urteil vom 11.09.2019, Az.: 30 C 1795/17
Ein Verkehrsunfall ist für alle Beteiligten belastend. Ist der erste Schock überstanden, bleiben Schäden am eigenen Fahrzeug und Reparaturkosten, vielleicht sogar eine Verletzung, die behandelt werden muss. Glück im Unglück hat man dabei, wenn man selbst am Unfall keine Schuld trägt und die Schäden somit vom Versicherer des Unfallgegners übernommen werden. Doch wie verhält man sich, wenn dessen Haftpflichtversicherung trotz mehrmaliger Kontaktaufnahme nicht reagiert und auch nach mehreren Anwaltsschreiben nicht antwortet? Oft bleibt in solchen Fällen nur die Klageerhebung – doch wer zahlt dann die daraus resultierenden Kosten? Mit dieser Frage hat sich nun das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe beschäftigt.
Zwischen dem Geschädigten und dem Schädiger kam es nach einer Vorfahrtsverletzung zu einem Unfall. Dabei war eindeutig, dass der Schädiger den Unfall verursacht hat und dessen Haftpflichtversicherung somit für die Schäden aufkommen muss. Als sich der Geschädigte mit anwaltlicher Unterstützung an diese wandte, reagierte die Versicherung jedoch wochenlang nicht. Letztlich erhob der Geschädigte Klage. Nach der Entscheidung des OLG muss die Versicherung in diesem Fall die dabei anfallenden Kosten tragen. Daran ändert auch die Mail des Haftpflichtversicherers nichts, die den Geschädigten an dem Tag erreichte, an dem dieser die Klageschrift absendete. Denn in solchen Fällen ist zugunsten des Klägers anzunehmen, dass er die Mail im Zeitpunkt der Klageerhebung noch nicht zur Kenntnis genommen hatte.
Begründend führt das Gericht aus, dass der Geschädigte in einem Fall, in dem die Versicherung ihm nach einem Unfall auf mehrere Anwaltsschreiben nicht antwortet, zur Klagerhebung berechtigt ist. Reagiert die Versicherung nämlich wie hier nicht auf mehrere Schreiben des Geschädigten, muss bzw. kann dieser davon ausgehen, dass die Haftpflichtversicherung zu einer zügigen Regulierung des Schadens weder bereit noch in der Lage ist. Ob dem Versicherer hier eine (noch nicht verstrichene) Frist zur Prüfung des Sachverhalts zustand, ist in Anbetracht dessen nicht von Belang.
OLG Karlsruhe, Urteil vom 27.9.19, Az.: 9 W 37/19
Kommt es zu einem Verkehrsunfall, an dem man selbst keine Schuld hat, ersetzt die Versicherung des Unfallgegners die dabei entstandenen Schäden. Die Versicherung übernimmt beispielsweise die Kosten der Reparatur und eines unter Umständen benötigten Mietwagens. Zu beachten gilt dabei, dass den Geschädigten auch Pflichten treffen – insbesondere die Schadenminderungspflicht.
Darunter ist zu verstehen, dass der Geschädigte den Schaden so gering wie möglich halten muss. Das bedeutet, dass er dafür Sorge tragen muss, dass die aus dem Unfall resultierenden Kosten (Reparatur- und Mietwagenkosten etc.) für den Schädiger nicht unnötig oder unverhältnismäßig größer werden. Dies wäre beispielsweise dann der Fall, wenn der Geschädigte während der Reparatur des Unfallwagens einen teuren Mietwagen in Anspruch nimmt, obwohl ersichtlich ist, dass der Erwerb eines Überbrückungsfahrzeugs und dessen anschließender Wiederverkauf (sog. Interimsfahrzeug) günstiger gewesen wäre.
In der Praxis ist es jedoch oft schwierig, bereits kurz nach dem Unfall vorauszusehen, welche Reparaturmethode am günstigsten sein wird oder ob sich die Anschaffung eines Interimsfahrzeugs lohnt. Wählt der Geschädigte nun die kostspieligere Alternative, wird so manche Versicherung einwenden, der Geschädigte habe seine Schadenminderungspflicht verletzt. Das würde wiederum zu einer Kürzung der Leistungen führen. Um dies zu vermeiden, empfiehlt es sich, den Versicherer in Zweifelsfällen miteinzubeziehen und sich nach dessen Entscheidung zu richten. Ist beispielsweise unsicher, ob sich die Anschaffung eines Interimsfahrzeugs wirtschaftlich lohnt, sollte dem Versicherer ein Vorschlag zur Entscheidung vorgelegt werden. Bestimmt dieser, dass ein Mietwagen genutzt werden soll, kann er im Nachhinein nicht einwenden, dass ein Interimsfahrzeug günstiger gewesen wäre.
Wurde die Versicherung im Vorfeld nicht miteinbezogen und weigert sich nun, die angefallenen Kosten in voller Höhe zu erstatten, sollten die folgenden Grundsätze beachtet werden:
Nach der Rechtsprechung des BGH muss der Geschädigte die Kosten für den Schädiger zwar so gering wie möglich halten. Dies umfasst jedoch nicht die Pflicht sich so zu verhalten, als stünde er an der Stelle des Schädigers. Denn dann würde er Einsparungen oder Verzichte zu dessen Gunsten vornehmen. Darin liegt jedoch nicht der Zweck der Schadenminderungspflicht. Vielmehr gilt es, den Schaden bestmöglich und vollständig zu beheben und dabei die Kosten möglichst gering zu halten.
Zudem ist der Schädiger bzw. dessen Versicherer beweis- und vortragspflichtig. Das heißt, dass er vortragen und beweisen muss, dass der Geschädigte seine Schadenminderungspflicht nicht erfüllt hat. Hat sich dieser beispielsweise für die Anmietung eines Ersatzfahrzeugs entschieden, obwohl der Erwerb eines Interimsfahrzeugs günstiger gewesen wäre, muss der Versicherer beweisen, dass der Geschädigte diesen Umstand im Voraus erkennen konnte bzw. hätte erkennen müssen. Ließen die konkreten Umstände des Einzelfalls hingegen den Schluss zu, dass die Reparatur des Unfallwagens nur kurze Zeit in Anspruch nehmen würde, durfte der Geschädigte auch davon ausgehen, zur Anmietung eines Fahrzeugs berechtigt zu sein.
Letztlich gilt es zu berücksichtigen, dass Geschädigte meist keine Experte auf dem Gebiet der Fahrzeugreparatur sind. Zudem ist die Dauer der Reparatur eines Unfallfahrzeugs oft nur schwer vorauszusagen. Bei der Bewertung, ob die Schadenminderungspflicht erfüllt wurde, sind demnach auch die individuellen Erkenntnismöglichkeiten des Geschädigten miteinzubeziehen. Aufgrund dessen darf sich dieser auch auf ein Schadensgutachten verlassen, auch wenn sich dieses im Nachhinein als unzutreffend erweist.
Wer kennt es nicht: Man bittet den besten Freund darum, etwas zu besorgen oder einen abzuholen und nach Hause zu fahren. „Du kannst auch mein Auto nehmen!“ Doch was ist, wenn in solchen Situationen mit dem geliehenen Auto ein Unfall passiert? Wer kommt für die dabei entstandenen Schäden auf?
Zunächst müssen dabei zwei Konstellationen unterschieden werden. Im ersten Fall gerät der Entleiher des Autos unverschuldet in einen Unfall. Dann haftet allein der Unfallgegner.
In der zweiten Konstellation hingegen ist der Fahrer des geliehenen Fahrzeugs für die Kollision verantwortlich. Für die entstandenen Schäden am Fahrzeug des Unfallgegners kommt nun die Kfz-Haftpflichtversicherung des Fahrzeughalters auf, auch wenn dieser gar nicht selbst gefahren ist.
Das führt jedoch dazu, dass der Schadensfreiheitsrabatt der Versicherung zurückgestuft wird. Der Halter muss daher für seine Haftpflichtversicherung wesentlich mehr bezahlen. Dabei können pro Jahr Mehrkosten von mehreren hundert Euro entstehen. Deshalb kann der Fahrzeughalter vom Unfallfahrer Ersatz dieses sog. Höherstufungsschadens verlangen.
Darüber hinaus kam es auch zu einer Beschädigung des geliehenen Autos. Ist eine Vollkaskoversicherung vorhanden, kommt diese für die entstandenen Schäden auf. Doch auch hier muss der Entleiher für den Höherstufungsschaden aufkommen. Dazu kommt ggf. eine Selbstbeteiligung in der Vollkaskoversicherung. Ist das Unfallfahrzeug hingegen gar nicht kaskoversichert, muss der Schaden komplett selbst bezahlt werden.
Um langjährige Freundschaften nicht zu gefährden, auf seinen Schäden sitzen zu bleiben oder letztlich vor Gericht zu landen, empfiehlt es sich daher vor dem Entleihen eines Autos zu klären, wer im Falle eines Unfalls für Schäden aufkommt.